Der Hochlauf der Elektromobilität ist in vollem Gange; immer mehr E-Fahrzeuge finden den Weg auf unsere Straßen. Damit einher geht der steigende Bedarf an Lademöglichkeiten. Wird von einer fast vollständigen Elektrifizierung des motorisierten Verkehrs bis 2040 und einem sog. „Verkehrswende-Szenario“ mit weniger Pkw in Berlin als heute ausgegangen, benötigt Berlin rund 400.000 Ladepunkte im öffentlichen und privaten Raum. Setzt sich dagegen ein weiteres Pkw-Wachstum und eine ungünstige Entwicklung im Verkehr in Berlin durch, könnte der Bedarf sogar bei bis zu 800.000 Ladepunkten liegen, also doppelt so hoch. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz.
Während das Bewusstsein für die Klimakrise steigt und die Elektromobilität als eine der Stellschrauben zur Reduktion von Emissionen und einen nachhaltigen Lebensstil steht, wird in der Diskussion die Frage nach der Umsetzung oft außer Acht gelassen. Qualifizierte Fachkräfte sind rar, das bekommt auch das Elektrohandwerk zu spüren. Wer also installiert die benötigte Ladeinfrastruktur und ist das ambitionierte Ziel von 400.000 und ggf. mehr Ladepunkten überhaupt zu erreichen?
Constantin Rehlinger, Geschäftsführer der Elektroinnung, wagte im Rahmen des Digitalforum Mobilität – Die Frühstücksdebatte zu Intelligenter Mobilität von UVB und eMO am 9. November 2022 auf der Messe Belektro eine Prognose anhand offizieller Zahlen aus dem Elektrohandwerk. Erfahrungen aus der Praxis teilte Andreas Stoye, Geschäftsführer der Firma Paech Elektro, mit den Anwesenden. Im Fokus der Diskussion standen dabei der Fachkräftemangel im Elektrohandwerk, das breite Engagement der Branche zur Sicherung des Nachwuchses sowie die Auswirkungen auf den Auf- und Ausbau von Ladeinfrastruktur.
Das Deutsche Handwerk leidet unter einem Imageproblem. Nur 10% der Deutschen sind im Handwerk tätig. Die Zahlen sind ernüchternd. Während die Anzahl der Auszubildenden im Handwerk im Jahr 1995 noch 21.000 betrug, lag diese in 2020 bei nur noch 9.000. Auch das Elektrohandwerk verzeichnete eine gravierende Abnahme an Betrieben in den vergangenen Jahren. Zwar werden die Betriebe größer, da die Aufgaben komplexer werden. Von einem Boom kann bei aktuell rund 1.200 Elektrobetrieben in Berlin, davon 64 Fachbetriebe für E-Mobilität, aber nicht die Rede sein. Berechnungen von Herrn Stoye zufolge ist mit 20 Arbeitsstunden pro Ladepunkt zu rechnen. Bei 388.000 Ladepunkten bis 2040 wären dies 7.760.000 Arbeitsstunden und 970.000 Arbeitstage.
Viele Ausbildungsunternehmen des E-Handwerks haben längst den Handlungsbedarf erkannt und reagieren mit verschiedenen Maßnahmen. So sollen unter anderem eine höhere Vergütung (1.200 Euro im 4. Jahr) und Schulungsangebote die Attraktivität der Ausbildung erhöhen. Gezielte Kommunikationsaktivitäten wie die bundesweite „E-Zubi“-Kampagne der Elektroinnung oder Werbung über Social Media bezwecken einen positiven Imageeffekt und mehr Aufmerksamkeit für die Arbeit im Handwerksbetrieb. Doch auch die Weiterbildung und Schulung bestehender Fachkräfte, unter anderem im Bereich Elektromobilität und PV, muss aufgrund der dynamischen Entwicklung des Marktes, der Komplexität und technologischer Innovationen mitgedacht werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die abschließende Frage, ob das Berliner Handwerk die Installation von 400.000 Ladepunkten bis 2040 schafft, wurde vorsichtig positiv beantwortet. Mehr dürfte aber sicher schwierig werden.
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„Gute Ideen am Morgen“ – das ist das Motto der monatlichen Frühstücksdebatte Intelligente Mobilität, zu der eMO und Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) monatlich einladen. In exklusiver Runde tauschen sich Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik über zukunftsfähige Mobilitätskonzepte für Berlin aus.